Von Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, die Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock
Die Finanzmärkte haben zum Ausklang der Vorwoche nicht nur positiv auf die starken US- Arbeitsmarktdaten (223.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft) reagiert, sondern zeigten sich auch beruhigt über die Bildung einer neuen Regierung in Italien. Offenbar waren viele Marktteilnehmer der Meinung, die jetzt gefundene Lösung sei einer Technokratenregierung, gefolgt von baldigen Neuwahlen, vorzuziehen. Darüber aber kann man geteilter Meinung sein. Denn dass die merkwürdige Koalition aus der Lega, einer Demagogenpartei am rechten Rand, und der eher linksanarchistisch angelegten Fünfsternepartei nun tatsächlich eine Regierung stellt, zieht die absehbare Konfrontation mit Brüssel, Berlin und vielleicht Paris wohl jetzt nur um ein paar Monate vor. Gern wird übersehen, dass der Ökonomieprofessor Paolo Savona, an dessen euro- und deutschlandfeindlichen Positionen der erste Versuch der Regierungsbildung noch gescheitert war, sehr wohl auch dem nun vorgestellten Kabinett angehören wird. Nur eben nicht als Finanz-, sondern als Europaminister.
Eng abstimmen wird er sich dabei mit seinem ins Finanzressort einrückenden Professorenkollegen Giovanni Tria, der sich noch vor kurzem auf einer Konferenz rühmte, mit Savona bezüglich des Euro übereinzustimmen. Kaum anzunehmen also, dass diese Regierung vertrauenerweckender agiert als diejenige, welche Staatspräsident Sergio Mattarella letzte Woche noch mit so viel Einsatz verhindert hatte. Mal abgesehen davon, dass ebenjener Mattarella, bis dato eine hoch geschätzte moralische Instanz im notorisch politikerskeptischen Italien, nun dasteht, als habe er sich von den Strippenziehern der Lega und Fünfsternepartei düpieren lassen.
Angesichts eines geschwächten Präsidenten, neuen Ausgabenversprechen in Höhe von mehr als 100 Milliarden Euro im Jahr und einer generell auf Krawall gebürsteten Regierung gebildet aus Parteien, die außer dem unbedingten Willen zu regieren nichts, aber auch gar nichts verbindet, kann man kaum optimistisch in Italiens Zukunft blicken. Der Knall, ob nun durch einen Konflikt mit Europa oder durch internen Streit, scheint programmiert. Überraschend insofern die Reaktion der Märkte, an denen sich der Euro von knapp über 1,15 Dollar auf über 1,1650 erholte und die Risikoaufschläge auf italienische Anleihen sich gegenüber den Höchstständen unter der Woche massiv erholten (im Zehnjahresbereich um sage und schreibe 70 Basispunkte). Entscheidend dürfte in der mittleren Frist sein, wie sich die neue italienische Regierung gegenüber Deutschland positioniert und ob es ihr gelingt, etwa mit Hilfe des neuen spanischen Regierungschefs Pedro Sanchez eine südeuropäische Front gegen die vermeintlichen Sparkommissare in Berlin und Brüssel aufzubauen. Sozialistenchef Sanchez selbst gelangte ebenfalls erst Ende letzter Woche ins Amt und führt nun eine wacklige Minderheitsregierung.
Was bedeutet das für Anleger?
Das alles klingt nach Konfrontation innerhalb Europas, so ziemlich das Gegenteil dessen, was angesichts der Bedrohung von außen nötig wäre. Denn der einstige Verbündete USA setzt auf offenen Schlagabtausch. Einfuhrzölle von 25% auf Stahl und 10% auf Aluminium sind seit dem 1. Juni Realität, Europa will noch in diesem Monat Gegenmaßnahmen beschließen. Die Stimmung auf dem G7-Gipfel in Kanada Ende dieser Woche dürfte frostig ausfallen. Zwar rechnen wir nach wie vor nicht mit einem offenen Handelskrieg, aber es zeigt sich immer mehr, dass die EU-Kommission keine echte Antwort auf Trumps eigenartigen Verhandlungsstil hat und einzelne Länder zu schwach sind, um wirtschaftlichen Druck auf die USA auszuüben. Auf Sicht wird es also Unsicherheit darüber geben, wie schädlich die Zölle sich wirklich auf die Geschäftsergebnisse europäischer Unternehmen in den betroffenen Sektoren auswirken. Für deren Aktienkurse lässt das alles jedenfalls nichts Gutes erwarten. Fast sicher ist
allerdings auch, dass die Zölle in den USA selbst mehr Arbeitsplätze vernichten als neu schaffen werden, ähnlich wie das im Jahr 2002 der Fall war. Damals hatte Präsident George W. Bush (der ähnlich oft Objekt höhnischer Kommentare war wie heute Trump) Zölle eingeführt, musste sie angesichts desaströser Folgen aber schon 18 Monate später wieder kassieren. Selbst wenn dies alles bekannt ist und man sich fast schadenfroh zurücklehnen möchte, ist es doch keine gute Strategie für die EU, im Stillen auf ein baldiges Ende der Präsidentschaft Trumps zu hoffen. Denn die könnte noch viel länger dauern als viele glauben ertragen zu können. Und selbst wenn es nur 18 Monate wären (in Wahrheit sind es wohl noch 32), kann jemand wie Trump auch in so kurzer Zeit reichlich Schaden anrichten. Die Bilanz seiner bisherigen gut 16 Monate im Amt zeigt dies auf erschreckende Weise. Umso wichtiger, dass Europa mit einer Stimme spricht. Leider lässt die letzte Woche, in der die Bruchlinie zwischen Nord- und Südeuropa wieder offen zutage trat, nichts Gutes hoffen. Europa streitet, wieder mal. Und der Trumpismus triumphiert.
Weitere Informationen bietet der Video-Kommentar von Martin Lück, der online verfügbar ist.
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