Die Renditen von US-Staatsanleihen haben den höchsten Stand seit vielen Jahren erreicht und könnten noch einige Zeit auf höherem Niveau verbleiben. Unser Investmentkomitee empfiehlt weiterhin eine neutrale Vermögensallokation bei Aktien und Anleihen sowie eine Erhöhung der Gewichtung länger laufender (in Euro notierender) US- und europäischer Staatsanleihen.
Die Märkte mussten einiges aushalten. Nach der globalen Pandemie der vergangenen drei Jahre hatten sich die Volkswirtschaften wieder geöffnet, die Inflation war stark angestiegen und die Zentralbanken reagierten zu deren Bekämpfung mit raschen Zinsanhebungen. Infolge dieser Maßnahmen ist die Inflation wieder gesunken und die Zinsniveaus dürften nun ihren Höchststand erreicht haben. Mittlerweile wirken sich die höheren Zinsen auf Unternehmen und Verbraucher aus, während die Zentralbanker abzuschätzen versuchen, ob sie genügend Maßnahmen ergriffen haben.
Die Auswirkungen der höheren Zinsen (mehr als 5 Prozentpunkte Erhöhung in den vergangenen zwei Jahren in den USA) sind offensichtlich und dürften sich weiter verstärken. Der Zinssatz für eine typische Hypothek mit 30 Jahren Laufzeit in den USA beträgt jetzt beispielsweise 8 %. Die US-Volkswirtschaft ist nach wie vor stark, doch insgesamt deuten die aktuellen konjunkturellen Entwicklungen in den USA und in der Eurozone auf eine Verlangsamung der Kerninflation, eine sich verschlechternde Situation auf dem Arbeitsmarkt und eine Verschärfung des finanziellen Umfelds hin. Insgesamt dürfte dies ab Ende 2023 zu einer konjunkturellen Verlangsamung führen. Das ist zwar unangenehm, war jedoch im Kampf gegen die Inflation von Anfang an geplant und es scheint zu funktionieren.
Höhere Zinsniveaus über eine längere Zeit
Die Zentralbanken werden das Umfeld genau beobachten, während sie darauf warten, dass ihre Anhebungszyklen Wirkung zeigen. Die Konsensmeinung rechnet damit, dass die Zinsen über einen längeren Zeitraum auf höherem Niveau bleiben werden. Auf den Märkten ist es daher zu einer Neubewertung gekommen, die zu einem beträchtlichen Anstieg der Renditen bei den US-Staatsanleihen geführt hat. Die Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen liegen derzeit bei ca. 5 %. Sie bieten dadurch Renditechancen und Schutz für die Portfolios, die es im bisherigen Niedrigzinsumfeld nicht gab. Der steile Anstieg der langfristigen US-Zinsen hat jedoch gleichzeitig die Aktienmärkte und -bewertungen unter Druck gesetzt. Der wirtschaftliche Ausblick trübt sich derweil ein und die geopolitischen Risiken haben sich erhöht.
Wachsende geopolitische Risiken
Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dauert nun schon mehr als 18 Monate, und der Krieg im Nahen Osten brach unerwartet aus. Dabei könnte die Nähe dieses Konflikts zu den Ölproduzenten zu Versorgungsproblemen führen. Die Ölpreise sind bereits angestiegen, wodurch Inflationsängste wieder aufgeflammt sind, die wiederum zu Volatilität auf den Rohstoffmärkten geführt haben – gespiegelt durch den Energie- und Industriesektor.
Vor diesem Hintergrund hat unser Investmentkomitee beschlossen, seine neutrale Haltung bei Aktien und Anleihen beizubehalten. Im Anleiheportfolio wurde eine Verschiebung vorgenommen, bei der die Portfolioduration verlängert wurde.
Erhöhung der Gewichtung länger laufender Staatsanleihen
Wir sprechen uns bereits seit einiger Zeit – auch während die Renditen stiegen – für eine Positionierung in hochwertigen Staatsanleihen aus. Diese waren für die Anleger während der Unsicherheiten an den Märkten ein Lichtblick. Wir empfehlen nun, dem Anleiheportfolio (Euro-abgesicherte) länger laufende US- oder europäische Staatsanleihen hinzuzufügen und die Gewichtung von kürzer laufenden Anleihen zu verringern.
Die Erhöhung der Duration (Sensitivität ggü. Zinsänderungen) bedeutet, dass die Preise für Anleihen stärker steigen, wenn die Zinsniveaus wieder fallen (und umgekehrt). Wir glauben, dass die schwächeren Wirtschaftsaktivitäten die Zinserwartungen belasten und zu niedrigeren Renditen bei US-Staatsanleihen führen werden. Da die Wirtschaftsaussichten sich eintrüben, dürften die Erwartungen hinsichtlich „höherer Zinsen über eine längere Zeit“ zurückgehen und niedrigere Zinsniveaus mehr Unterstützung finden.
Aktien unter Druck
Der Optimismus von Unternehmen und Verbrauchern lässt sowohl in den USA als auch in Europa infolge höherer Zinsniveaus, konjunktureller Schwäche und steigender Risiken nach. Die Unternehmensgewinne sind zwar besser ausgefallen als erwartet, das Gesamtbild für 2023 zeigt jedoch einen leichten Abwärtstrend.
Es gibt beträchtliche regionale Unterschiede: Der US-Markt entwickelt sich besser als der europäische Markt und die Schwellenländer – hauptsächlich wegen einer Handvoll von US-Technologieriesen. Europa hat zwar besser abgeschnitten als erwartet, doch die Unternehmen haben ihre Prognosen abgeschwächt und aus diesem Grund sind die Gewinnaussichten für Europa weniger optimistisch als für die USA. Wir gehen davon aus, dass die Gewinnaussichten weniger positiv ausfallen werden, wenn die konjunkturelle Abschwächung eintritt.
Daher behalten wir eine neutrale Positionierung bei Aktien bei, wobei die US-Märkte (übergewichtet) den europäischen Märkten (untergewichtet) und den Schwellenmärkten (neutral) vorgezogen werden. Trotz der allgemeinen Marktflaute kann man in einzelnen Sektoren noch Anlagegelegenheiten finden. Wir ziehen dabei das Gesundheitswesen und den IT-Sektor (übergewichtet) anderen Sektoren vor. Das Gesundheitswesen ist ein defensiver „Allwetter“-Sektor, während der Technologiesektor eine Positionierung mit Ausrichtung auf Wachstum und Innovation bietet.
Wir lassen TINA hinter uns
Es ist offensichtlich, dass wir bei Aktien das Szenario „es gibt keine Alternative“ (There Is No Alternative – TINA) hinter uns gelassen haben. Weil Staatsanleihen nun eine Rendite liefern, die wir seit Jahren nicht gesehen haben, glauben wir, dass in Euro abgesicherte länger laufende US-Staatsanleihen oder länger laufende Euro-Staatsanleihen Diversifikationschancen und Renditen bieten, die deutlich besser als Barmittel sind.