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EZB wartet wachsam ab

Die EZB befindet sich in einer Zinspause, in der sie sich wachsam gibt. Für ihr weiteres Vorgehen sind die Daten entscheidend. Eine Zinserhöhung ist nicht gänzlich aus der Welt. Wir bezweifeln aber, dass sich hier eine Mehrheit finden wird. Zinsseitig dürfte sich vorerst nichts tun. Nach zehn Leitzinserhöhungen in Folge hat der EZB-Rat heute innegehalten und die Zinsschraube nicht weiter betätigt. Durch den Anstieg um je 450 Basispunkte liegt der Einlagesatz damit weiter bei 4,00 %, der Hauptrefinanzierungssatz bei 4,50 %. Auch bezüglich der laufenden Bilanzverkürzung blieb der Rat auf seinem eingeschlagenen Weg, alle Tilgungsbeträge aus dem APP-Programm nicht wieder anzulegen. PEPP-Fälligkeiten sollen bis Ende 2024 hingegen weiter in neue Anlagen fließen. Unverändert blieben zudem die Mindestreserveregelungen. In seinen Geldpolitischen Beschlüssen hielt der Rat daran fest, die Leitzinsen „so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau“ festzulegen, damit das 2,0-%-Preisziel auf mittlere Sicht erreicht wird. Auf eine Konkretisierung des Zeitmaßes legte sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz aber nicht fest.

 

Zur Beurteilung dessen verfolge der Rat einen „datengestützten Ansatz“, so die Notenbank-Chefin. Es sei deshalb auch nicht die Zeit für eine Forward Guidance. Über Zinssenkungen habe der Rat nicht diskutiert, so Lagarde. Wirklich Neues hat es von der EZB aus unserer Sicht heute nicht gegeben. Die Notenbank befindet sich in einer Zinspause. In dieser hält sie den Finger am Abzug, da ihr die Datenlage jederzeit einen Streich spielen kann. Unliebsame Inflationsüberraschungen lösen also eventuell Handlungsbedarf aus. Dieser könnte sich aus Zweitrundeneffekten durch einen anhaltend höheren Rohölpreis und weiter steigende Löhne ergeben, aber auch aus administrativen Preiserhöhungen, die sich Anfang 2024 etwa mit einer höheren CO2-Bepreisung zeigen werden. Die Datenabhängigkeit lässt zinsseitig also vieles offen und geht über die Ratssitzung im Dezember hinaus. Um Zinssenkungen, das dürfte klar sein, wird es noch länger nicht gehen. Wir sind weiterhin der Ansicht, dass die Leitzinsen eigentlich noch etwas Luft nach oben haben. Dies leiten wir aus unserer Inflationsprognose ab, in der die Inflationsrate erst im zweiten Halbjahr 2024 beständig unter 3,0 % sinken und das Preisziel spät im Jahr 2025 erreicht wird. Dass die EZB zinsseitig deshalb aber noch nachlegen wird, halten wir weiter für wenig wahrscheinlich. So dürfte die Notenbank nicht nur die schwache Konjunkturverfassung zunehmend bekümmern.

 

Beim bisher erreichten hohen Zinsniveau wird wohl vor allem auch Ratsmitgliedern aus hochverschuldeten Ländern unwohl beim Blick auf die Schuldentragfähigkeit sein. Wir erwarten daher, dass die EZB geduldig mit dem Inflationsrückgang sein wird. In unserer Prognose gehen wir davon aus, dass die EZB die Leitzinsen bis zum Frühherbst 2024 unverändert belässt. Angesichts der Aussicht auf eine dann unter 3,0 % sinkende Inflationsrate dürfte eine stark restriktiv wirkende Geldpolitik nicht mehr als erforderlich angesehen werden, zumal beständig restriktive Impulse von der Bilanzverkürzung ausgehen. Wir erwarten einen flachen Zinssenkungspfad. Die Konjunktur entscheidet, ob dieser eventuell früher als erwartet beschritten wird.

 

 

Text: Dr. Alexander Krüger


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