Zurückhaltung bei der Immobilienfinanzierung
Die Bankeinlagen der Privathaushalte in Deutschland sind im ersten Halbjahr um den enormen Betrag von EUR 38,4 Mrd. gesunken – v.a. in Q1 (Bestand noch +0,1% ggü. Vj.).
Die Zinsdifferenz zwischen verschiedenen Einlagenprodukten führte zu massiven Umschichtungen: von Sichteinlagen (EUR -75,5 Mrd.) zu Termingeldern(EUR 82,9 Mrd.). Auch Spareinlagen wurden aufgelöst (EUR -42,7 Mrd.). Stattdessen erlebte der Sparbrief (EUR +35 Mrd.) eine Renaissance.
Es herrscht wieder Wettbewerb um Einlagen. Regionalbanken gewannen Einlagen, entgegen dem Trend, während Großbanken, aber v.a. Sparkassen und Genossenschaftsbanken Abflüsse hinnehmen mussten.
Im ersten Quartal (letzte verfügbare Daten) legten die privaten Haushalte den Rekordbetrag von EUR 29,7 Mrd. in Anleihen an. Aktien und Lebensversicherungen waren kaum gefragt. Der Zufluss in das gesamte Finanzvermögen war mit EUR 69,9 Mrd. für ein erstes Quartal eher schwach.
Die Immobilienkredite legten im ersten Halbjahr lediglich um EUR 5 Mrd. zu. Der durchschnittliche Zins für Neukredite stieg auf 4,1%, die Immobilienpreise gaben auf sehr hohem Niveau nach. Ratenkredite wurden netto getilgt (Bestand EUR -0,3 Mrd.). Der Zins sprang auf über 8%, die generelle Konsumzurückhaltung tat ein Übriges.
Die prognostizierte Seitwärtsbewegung der Konjunktur lässt eine finanzielle Vermögensbildung in ähnlicher Höhe wie bisher erwarten. Im laufenden Halbjahr dürfte sich die Umschichtung in Festgelder wegen der hohen Zinsdifferenz zu Sichteinlagen fortsetzen, ebenso das Ausweichen auf Sparbriefe.
Bei der Immobilienfinanzierung könnte die Talsohle in Sicht sein, da die Erschwinglichkeit von Wohnraum in etwa unverändert bleiben dürfte. Mit einem Anspringen des Immobilienmarktes und einem Anstieg der Kreditaufnahme ist jedoch kurzfristig nicht zu rechnen.
Rekordrückgang der Einlagen
Die Bankeinlagen der privaten Haushalte in Deutschland sind im ersten Halbjahr um den enormen Betrag von EUR 38,4 Mrd. gesunken – v.a. im ersten Quartal. Auf Jahressicht fiel das Wachstum mit 0,1% noch knapp positiv aus, dank der kräftigen Einlagenbildung im zweiten Halbjahr 2022.
Der Hauptgrund für das Minus dürfte – paradoxerweise – der Zinsanstieg gewesen sein. Diesen gestalteten die Kreditinstitute für verschiedene Produkte sehr unterschiedlich. Die Privathaushalte passten daraufhin sowohl die Höhe als auch die Zusammensetzung ihrer Bankguthaben an.
Divergierende Zinsentwicklung: Umschichtung in Termineinlagen
Die kräftig wachsende Zinsdifferenz zwischen Sichteinlagen (0,3% im Juni) und neuen Termineinlagen (2,8%) führte zu enormen Verschiebungen: Die Privathaushalte zogen im ersten Halbjahr EUR 75,5 Mrd. von ihren Girokonten ab, während sie EUR 82,9 Mrd. als Termingeld anlegten, und dies überwiegend mit kurzen Laufzeiten bis zu einem Jahr. Der Anteil der Sichteinlagen am Gesamtbestand fiel damit um zwei %-Punkte auf 68%. Die langjährige Nullverzinsung hatte das enorme Wachstum der Sichtguthaben nicht gebremst, sehr wohl jetzt jedoch die bessere Verzinsung anderer Einlagen.
Sparbriefe erleben eine Renaissance
Gleichzeitig rückte ein Sparprodukt in den Fokus der privaten Haushalte, das während der Niedrigzinsphase fast gänzlich aus der Mode gekommen war: der Sparbrief. Sparbriefe sind zwar Anleihen, die von Kreditinstituten mit fester Laufzeit und Verzinsung begeben werden. Trotzdem stellen sie für Privatkunden eine Alternative zu Einlagen dar, weil sie auch in kleinen Beträgen erworben werden können, und sie i.d.R. durch die Einlagensicherung bis EUR 100.000 abgedeckt sind. Schon im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 2022 sprangen die Investitionen in Sparbriefe an. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres legte das ausstehende Anlagevolumen dann auf knapp das Dreifache zu – es wuchs um EUR 35 Mrd. auf EUR 56 Mrd., bei einer Verzinsung von mittlerweile um die 3%. Ähnlich hohe Bestände hatte es zuletzt 2013 vor der Nullzinsphase der EZB gegeben. Parallel flossen im ersten Halbjahr EUR 42,7 Mrd. an Spareinlagen ab: Deren Verzinsung erhöhte sich nur geringfügig auf 0,5%.
Bankengruppen: Gewinner sind die Regionalbanken
Das Einlagengeschäft verlief bei den Bankengruppen im ersten Halbjahr höchst unterschiedlich. Entgegen dem Trend gewannen die Regionalbanken (einschließlich einiger ausländischer Retailbanken) neue Einlagen in Höhe von EUR 22,9 Mrd. hinzu. Sie verzeichneten Zuflüsse bei Sicht- und Termineinlagen, welche die Abflüsse bei Spareinlagen weit überwogen. Außerdem gaben sie Sparbriefe im Wert von EUR 8,9 Mrd. aus. Die Großbanken mussten einen leichten Einlagenrückgang hinnehmen (EUR -3,7 Mrd.), Sparbriefe wurden nicht emittiert. Die Genossenschaftsbanken verloren Einlagen in Höhe von EUR 23 Mrd. und sammelten über Sparbriefe EUR 6,4 Mrd. ein. Der Sparkassensektor – Marktführer mit einem Marktanteil von einem Drittel – verlor die meisten Einlagen (EUR -40,7 Mrd.), konnte jedoch immerhin einen starken Absatz von Sparbriefen (EUR 19,9 Mrd.) verbuchen.
Neben den Konditionen dürfte auch die Kundenstruktur und das Digitalangebot der Banken für diese zum Teil gegenläufigen Entwicklungen verantwortlich sein. Das starke Abschneiden der Regionalbanken im geschrumpften Markt wird jedenfalls voraussichtlich den Druck auf andere Institute erhöhen, das gestiegene Zinsniveau an die Einlagenkunden weiterzugeben.
Auch hohe Investitionen in klassische Anleihen
Für das Finanzvermögen insgesamt liegen bislang nur Daten für Q1 vor, die aber noch eine weitere Erklärung für den Einlagenrückgang liefern: Dank steigender Renditen wurden neben dem Sparbrief auch andere festverzinsliche Wertpapiere zu attraktiven Alternativen für Spareinlagen. So investierten die Privathaushalte die Rekordsumme von EUR 29,7 Mrd. in Schuldverschreibungen – überwiegend von Staaten und Unternehmen begebene –, obwohl diese im Bestandsportfolio nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Der gesamte Netto-Aufbau von Finanzvermögen lag im ersten Quartal bei saisonal eher schwachen EUR 69,9 Mrd. Neben der Umschichtung von Bankeinlagen in Anleihen flossen je ca. EUR 12 Mrd. in Investmentfonds und Pensionsfonds, ähnlich wie in den Vorquartalen. Aktien und Lebensversicherungen waren hingegen kaum gefragt. Da die Privathaushalte von einer Wertzunahme ihres Portfolios in Höhe von EUR 84,6 Mrd. profitierten, hauptsächlich dank gestiegener Aktienkurse, verfügten sie Ende März über ein Finanzvermögen von EUR 7.393 Mrd. Durch die Inflation im ersten Quartal erlitten sie jedoch einen realen Verlust von etwa EUR 185 Mrd. Das dürfte gesamtwirtschaftlich zur mäßigen Entwicklung der privaten Konsumausgaben beigetragen haben, die nominal stagnierten – jedenfalls gab es kein Entsparen des Haushaltssektors, also kein Auflösen von Einlagen für Konsumzwecke.
Schwaches Kreditgeschäft im ersten Halbjahr
Auf der Kreditseite spielte die Zinswende ebenfalls die entscheidende Rolle. Zusätzlich fallen hier die eingetrübten Aussichten auf dem Wohnungsmarkt ins Gewicht sowie die inflationsbedingte Konsumschwäche. Im ersten Halbjahr nahmen die Privathaushalte insgesamt nur noch netto EUR 4,5 Mrd. an neuen Krediten auf, das ausstehende Volumen erreichte EUR 1.500 Mrd. Das jährliche Wachstum ging auf 2,2% zurück.
Immobiliendarlehen – der Boom ist vorbei
Der Boom bei der Immobilienfinanzierung ist vorbei: Von Januar bis Juni wurden netto lediglich EUR 5 Mrd. an neuen Darlehen aufgenommen. Der Bestand nahm auf EUR 1.265 Mrd. zu (+2,7% ggü. Vj.). Die Zinsen für neue Kredite kletterten zwar weiter, aber langsamer als zuletzt, und erreichten im Juni durchschnittlich 4,1%. Das ist der höchste Wert seit 2011. Die Immobilienpreise befinden sich weiterhin auf einem sehr hohen Niveau, auch wenn sie derzeit sinken (in Q2 -9,9% ggü. Vj.). Die nominal kräftig gestiegenen verfügbaren Einkommen blieben real betrachtet, also unter Berücksichtigung der Inflation, unter Druck. Die Aufnahme neuer Kredite (brutto) sank um die Hälfte im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022. Gleichzeitig verringerten sich aber auch die Tilungszahlungen um 40%, sodass das Kreditvolumen unter dem Strich weiter wuchs. Vermutlich wurden weniger Sondertilgungen geleistet. Netto bewegt sich die aktuelle Kreditaufnahme auf dem Niveau, das vor der Niedrigzinsphase üblich war.
Die Banken beobachten seit Mitte letzten Jahres eine stark rückläufige Nachfrage bei Immobilienkrediten und verschärften ihrerseits die Richtlinien für die Kreditvergabe. Der Anteil abgelehnter Kreditanträge erhöhte sich deutlich. Allerdings haben sich diese negativen Trends seit Jahresbeginn abgeschwächt. Im ersten Halbjahr sahen sich viele Banken angesichts des Wettbewerbsdrucks sogar gezwungen, ihre Margen erstmals wieder zurückzunehmen.
Tilgung von Konsumentenkrediten
Die Konsumentenkredite entwickeln sich weiterhin schwach. Im ersten Halbjahr tilgten die privaten Haushalte netto EUR 0,3 Mrd., sodass sich der Bestand leicht auf EUR 186 Mrd. verringerte (-0,1% ggü. Vj.). Dies spiegelt vermutlich den unverändert kräftigen Zinsanstieg wider – allein von Dezember bis Juni um 1,4 %-Punkte auf 8,1% –, ebenso wie das schwierige wirtschaftliche Umfeld und die hohe Inflation.
Auch für die Konsumentenkredite berichten die Banken seit Mitte 2022 von sinkender Nachfrage und von verschärften Kreditrichtlinien sowie mehr abgelehnten Kreditanträgen. Außerdem stiegen die Margen.
Die Debetsalden und sonstigen Kredite der Haushalte schrumpften geringfügig um EUR 0,3 Mrd. und belaufen sich jetzt auf knapp EUR 49 Mrd. Sie spielen jedoch mit einem Anteil von 3% am Kreditvolumen mit Privatpersonen eine untergeordnete Rolle.
Ausblick
Im zweiten Halbjahr könnte das nominale Plus beim verfügbaren Einkommen der Privathaushalte die voraussichtlich weiter rückläufige Inflationsrate übersteigen. Letztere dürfte bis Ende des Jahres sinken. Gleichzeitig wird die Wirtschaft die gegenwärtige leichte Rezession vermutlich erst im kommenden Jahr
überwinden.
Angesichts der nur graduellen Besserung der wirtschaftlichen Situation dürfte ähnlich viel wie in den Vorquartalen gespart werden. Inwieweit Bankeinlagen wieder attraktiver werden, wird entscheidend von den Konditionen der Institute abhängen. Die Haushalte dürften weiter Einlagen umschichten, um die Zinsdifferenzen zu nutzen. Momentan liegt der Anteil der Sichteinlagen an allen Einlagen bei etwa zwei Dritteln, bei einem Zinsabstand zu Termingeldern von 2,5-3 %-Punkten. Vor der Finanzkrise, bei einem sogar geringeren Zinsunterschied von etwa 2 %-Punkten, lag dieser Anteil nur bei rund einem Drittel. Die Termingelder sollten somit weiterhin erheblich zunehmen.
Auch die Ausweichbewegung in Sparbriefe dürfte sich fortsetzen, solange die Spar- und Sichteinlagenzinsen nicht stärker zulegen. Bei vergleichbaren Renditedifferenzen in den Jahren 2007/08 hielten die privaten Haushalte über EUR 100 Mrd. in Sparbriefen. Anlagen am Kapitalmarkt, besonders Anleihen, werden wohl ebenso eine attraktive Alternative zu Einlagen bleiben, vor allem für wohlhabende Haushalte.
Allerdings profitieren die privaten Haushalte zunehmend von einem wiedererwachten Wettbewerb um Einlagen. Diese dürften aufgrund der wahrscheinlich nachlassenden Inflation – d.h. verbesserter realer Verzinsung – insgesamt attraktiver werden. Die Einlagenentwicklung könnte sich stabilisieren.
Immobilienfinanzierung: Talsohle könnte erreicht sein
Nach dem Einbruch bei der Immobilienfinanzierung könnte mittlerweile die Talsohle in Sicht sein, selbst wenn die Bauzinsen nach der jüngsten Entscheidung der EZB noch etwas ansteigen sollten. Denn aktuelle Preisrückgänge könnten eine teurere Finanzierung abfedern. Dies scheint jedoch weniger für Neubauten zu gelten (Verkaufspreise -4,8% ggü. Vj.) als für Bestandsimmobilien (-10,7%), bei denen oft in energetische Sanierungen investiert werden muss.
Andererseits ist auch nicht mit einer spürbaren Zunahme der Ausreichungen zu rechnen. Die Zinsen dürften sich stärker seitwärts bewegen und die Preise sich stabilisieren. Zusammen mit einem weitgehend stabilen realen Einkommen dürfte die Erschwinglichkeit von Immobilien in etwa unverändert bleiben. Von einem Abbau der Angebotsknappheit ist so bald nicht auszugehen. Neubauprojekte werden wegen gestiegener Baukosten immer häufiger abgesagt.
Wenig Kredit für wenig Konsum
Die Konsumentenkredite dürften sich weiter schwach entwickeln. Angesichts der Inflation, rekordhoher Zinsen und eines gedämpften Verbrauchervertrauens ist auch im zweiten Halbjahr mit Konsumzurückhaltung bei den Privathaushalten zu rechnen.
Quelle: https://www.dbresearch.com/PROD/RPS_DE-PROD/PROD0000000000530274/Privathaushalte_suchen_bessere_Verzinsung_%E2%80%93_Zur%C3%BCck.pdf?undefined&realload=afInfTEhdv58LUfd8l9CEAUkHIUNoHkzXBWjTYk7Hvqg6pviz8Qt4/BDDZaDcpRP